Wissenschaft trifft Politik

Erfahrungsaustausch über dauerhafte globale Fluchtbewegungen

27.03.2017 – Langanhaltende Flüchtlingssituationen als Folge gewaltsamer Konflikte, fehlgeleitete Flüchtlingshilfe und ein Umsteuern im politischen Umgang mit Flüchtlingen waren Themen des parlamentarischen Abends am 22. März 2017 in Berlin.

IMIS (Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück) und BICC (Internationales Konversionszentrum Bonn) stellten dort Erkenntnisse und Überlegungen aus der Flucht- und Flüchtlingsforschung vor und diskutierten mit Bundestagsabgeordneten und geladenen Gästen die Herausforderungen der europäischen Flüchtlingspolitik.

In den letzten Jahren blieb die Zahl der Flüchtlinge nicht nur in Europa sondern weltweit hoch. So mussten im Jahr 2015 etwa 12 Millionen Menschen auf Grund von Kriegen oder Verfolgung fliehen. 80 Prozent der weltweit Schutzsuchenden konnten schon länger als ein Jahr nicht in ihre Heimat zurückkehren; bei 6,7 Millionen Menschen (10 Prozent) führten die aktuellen Vertreibungskrisen dazu, seit mehr als fünf Jahren im Exil leben zu müssen.

Beim parlamentarischen Abend am 22. März 2017 in Berlin zeigte Benjamin Etzold, BICC, in seinem Vortrag vor Abgeordneten des Deutschen Bundestages, dass langanhaltende Flüchtlingssituationen das Ergebnis dauerhafter gewaltsamer Konflikte, fehlgeleiteter Flüchtlingshilfe und mangelnder Aufnahmebereitschaft sind. „Menschen, die seit Jahren unter sehr schwierigen Bedingungen und ohne Zugang zu Bildung und Arbeit in Flüchtlingslagern leben, brauchen neue Perspektiven. Die Grundvoraussetzung für ihre Rückkehr ist ein dauerhafter Frieden und Rechtssicherheit in den Herkunftsregionen. Ist eine Rückkehr nicht möglich, müssen alternative Wege gefunden werden“, erklärte Benjamin Etzold. Er plädierte für eine Verbesserung der Bedingungen für eine lokale Integration und die Umsiedlung von mehr Schutzsuchende aus Flüchtlingslagern. Zudem müsste es ihnen ermöglicht werden, ihre familiären Netzwerke zu nutzen, um auf legalem Weg nach Europa einzureisen.

Das Scheitern des humanitären Flüchtlingssystems und die Zunahme an Asylsuchenden in Europa leitete in den letzten Jahren ein Umsteuern im politischen Umgang mit Flüchtlingen ein. Olaf Kleist vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück stellte aktuelle, gegenläufige Trends im globalen und europäischen Flüchtlingsregime vor. Während einerseits Flüchtlingsrechte unterminiert werden, um vermeintlich mehr staatliche Kontrolle über den Zugang zu Schutz zu erlangen, übernehmen andererseits Zivilgesellschaft und lokale Politik eine zentrale Rolle bei der Aufnahme und beim Schutz von Flüchtlingen. „Die aus der Krise der Flüchtlingspolitik entstehende neue flüchtlingspolitische Ordnung birgt Risiken und Gefahren aber auch neue Chancen für den Flüchtlingsschutz“, betonte Olaf Kleist. Die deutsche Flüchtlingspolitik müsse die weitreichenden Konsequenzen neuer Ansätze bedenken, um dem demokratischen Anspruch von Flüchtlingsschutz gerecht zu werden.


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