Kani Kalonji

Greift der Fluch des Reichtums der D.R. Kongo nun auch in den Kasai-Provinzen?

08.05.2017

Das Grüne, grüner als man es kennt; das Blaue vom Himmel, blauer als man es in Deutschland gewohnt ist. So kommt es einem vor, wenn man an einem sonnigen April-Tag nach der Landung aus dem Gebäude des „Internationalen Flughafen N’djili“ in Kinshasa, Hauptstadt der D.R. Kongo, rauskommt.

Danach erblickt man auf dem Flughafengrundstück hier und da ein paar grüngekleidete und mit alten Gewehren ausgestatteten Soldaten, die von ihrer Statur her eigentlich auch als Models der Modebranche dienen könnten, so schlank sind sie. Klar, ausreichende Ernährung ist auch im Jahre 2016, als ich nach 27 Jahren zum ersten Mal wieder in der D.R. Kongo bin, ein Luxus, dass man sich mit einem Sold von weniger als 100 Euro im Monat, als Soldat kaum leisten kann.

Es folgen während man im Auto Richtung Stadtzentrum fährt die Bilder, die man sonst nur aus dem Fernsehen in Europa kennt: bittere Armut der Menschen, äusserst rudimentäre Infrastruktur. Wenigstens ist die Strasse, die vom Flughafen in die Stadt führt asphaltiert, denkt man sich.

Ich hatte das Land 1989 als kleiner Junge verlassen. Wahrscheinlich hat mich deshalb so sehr gerührt, beeindruckt und überrascht auf diese Reise 2016, dass in Kinshasa Menschen, denen man gerade erst vorgestellt wurde, einen fröhlich umarmen und lächelnd sagen: „Du bist einer von uns“.

Doch dieser Artikel handelt hauptsächlich von einem Konflikt. Und zwar einer, der in einem Gebiet 800 Km östlich von Kinshasa entfernt, im Zentrum des Landes stattfindet: in den Kasai-Provinzen.

Der Konflikt zwischen kongolesische Regierung und einem Teil der Bevölkerung der Provinz „Kasai-Central“, die sogenannte Kamuina-Nsapu-Rebellion, hat seit August 2016 laut UN-Angaben über eine Million Menschen vertrieben (Stand April 2017), und so eine neue humanitäre Katastrophe in dem Land ausgelöst. Bisher ist die Rede von über 500 Toten durch die Zusammenstösse. Beklagt wird auch der Mord an zwei UN-Experten (einem US-Bürger und einer chilenisch-schwedischen Frau) und ihren Dolmetscher im März 2017.

Die Kamuina-Nsapu-Miliz kämpft mit Pfeil und Bogen gegen schwer bewaffnete Regierungstruppen.

Ursprünglich begann der Konflikt im Kasai-Central, doch mittlerweile sind auch 4 benachbarte Provinzen davon betroffen (Kasai, Kasai-Oriental, Lomami und Lualaba).

Hervorgerufen wurde der Konflikt durch die Hinrichtung des traditionellen Häuptlings, Herr Kamuina Nsapu.

Wo liegt die Wahrheit?

Die offizielle Version der Ereignisse führt an, der Häuptling habe den Abzug der Regierungstruppen aus dessen Einflussbereich im Kasai-Central gewünscht, da die Soldaten die Bewohner dort schikanierten; und er habe sich für einen Regime-Wechsel an der Spitze des kongolesischen Staates positioniert.

Der Einflussbereich des Häuptlings war ein Zusammenschluss mehrerer Dörfer im Kasai-Central.

Von meinen Kontakten in der kongolesischen Community in Europa habe ich jedoch das „Gerücht“, die tatsächliche Ursache des Konflikts im Kasai-Gebiet sei die Entdeckung „neuer“ Coltan-Vorkommen dort. Diese Information stammt von Freelancer-Journalisten aus Kinshasa und aus der kongolesischen Diaspora in Europa.

Die Bewohner der Dörfer im Kasai-Central, unter denen der Rohstoff sich befinden soll, haben sich geweigert die Gegend, Erde ihrer Vorfahren, zu verlassen und sich anders wo anzusiedeln. So haben die Machthaber in der Hauptstadt Kinshasa beschlossen, sie mit Gewalt zu vertreiben.

Coltan (eigentlicher Name, Columbit-Tantalit) ist das wertvolle Erz, dass insbesondere in der Mikroelektronik (PCs und Mobiltelefone) Anwendung findet. In der D.R. Kongo selbst existiert keine Industrie zur Weiterverarbeitung dieses Rohstoffs. Der Chemie- und Metallspezialist H.C. Starck, ein deutsches Unternehmen, gehört zu den Hauptabnehmer der Ware.

In Februar 2017 sorgte ein im Internet aufgetauchtes Video international für Entsetzen und Empörung. Darin sieht man kongolesische Soldaten beim Massaker unbewaffneter Zivilisten, die dastehen und singen; und als Kamuina-Nsapu-Kämpfer bezeichnet werden. Darunter Frauen und Kinder.

Der Hohe Kommissar der UN für Menschenrechte, Herr Zeid Ra'ad Al Hussein, erhält seitdem den Druck aufrecht, um eine internationale unabhängige Ermittlung zu erreichen.

Es ist mittlerweile von über 40 entdeckten Massengräbern in den Kasai-Provinzen die Rede.

Bedauerliche Entwicklungen

Inzwischen erreichen uns Meldungen über Fremdenfeindliche Vorkommnisse im Kasai-Gebiet.

Die Nationale Ärzte-Gewerkschaft der D.R. Kongo (Synamed) prangert den Mord an 3 Ärzten in der Provinz "Kasai-Central" Ende April 2017 an; und verurteilt die Politisierung eines Teiles der Bevölkerung in derselben Provinz durch Politiker, zwecks Anstiftung zu schändlichen Taten gegen nicht ursprünglich aus dem Kasai Stammende.

Diese Entwicklung ist äusserst Besorgnis erregend in einem Land, das in der Vergangenheit bereits mehr als nur einmal ethnische Konflikte grossen Ausmasses durchgemacht hat.

Das Szenario „Rohstoff-Vorkommen, Vertreibung, Massaker“ kennt man in den letzten 20 Jahren eher aus dem Osten der D.R. Kongo, in den Kivu-Provinzen.

Die kommenden Monate und Jahre werden uns Klarheit darüber verschaffen, ob die Kasai-Krise nicht doch als „Kivu II“ getauft werden kann.

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