Otmar Steinbicker

Iranabkommen: keine realistische Alternative zu einem weiteren Verhandlungsweg

Aachener Nachrichten, 14.05.2018

Otmar Steinbicker, Foto: Beate Knappe

US-Präsident Donald Trump hat in der vergangenen Woche mit seiner Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran eine Krise in den internationalen Beziehungen ausgelöst, deren Dimensionen bedeutender sein dürften als frühere Krisen der vergangenen Jahrzehnte. Diese Krise betrifft nicht nur die Region des Nahen und Mittleren Ostens, ein hochexplosives Pulverfass, wo schon seit Jahren grausame Kriege in Syrien, Irak und dem Jemen geführt wurden und werden. Gerade Syrien zeigt die zunehmende Internationalisierung der Konflikte und die Tendenz zu Stellvertreterkriegen, in denen Groß- und Regionalmächte um Einflusszonen kämpfen. Diese Krise ist zugleich eine tiefe Krise der UNO und der dort verankerten Prinzipien für internationale Konfliktlösungen und es ist obendrein die tiefste Krise in der Geschichte der Nato.

Das Atomabkommen mit dem Iran war und ist ein wichtiger Schritt, ein weiteres Ausbreiten von Atommächten zu stoppen. Auch wenn Hans Rühle, der ehemalige Leiter des Planungsstabs im Verteidigungsministerium, in der „Welt am Sonntag“ vom 6. Mai sehr detaillierte Geheimdienstinformationen vorlegte, wonach Iran längst eine Atommacht sei, weil entsprechende Aktivitäten vor Abschluss des Abkommens weiter gediehen seien, als im Abkommen selbst thematisiert, so gibt es keine realistische Alternative zu einem weiteren Verhandlungsweg.

Dementsprechend versuchen die anderen fünf Unterzeichnerstaaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China) das Abkommen auch nach dem Ausstieg der USA zu retten und Iran damit von einem Neueinstieg in eine Atomwaffenproduktion abzuhalten. Gelingt das nicht, so dürfte es eine Frage der Zeit sein, bis auch Saudi-Arabien sich als Atommacht präsentiert. Dann stünden sich in dieser bereits mit blutigen Kriegen umkämpften Region mit Israel gleich drei bereits Krieg führende Akteure auch als Atommächte unmittelbar gegenüber. Die Gefahr einer nuklearen Eskalation in diesem Pulverfass wäre äußerst brisant. Die immens gestiegene Gefahr bedeutet gleichwohl nicht den Automatismus eines großen und womöglich irgendwann atomar geführten Krieges in der Region. Dass vier ständige Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats und mit Deutschland ein wahrscheinlich künftiges nichtständiges Mitglied mit dem Iran nach einer Lösung suchen, könnte auch dazu führen, dass die UNO wieder gestärkt und ein Konfrontationskurs der USA isoliert wird.

Instrument aus dem Kalten Krieg

Die seit über zehn Jahren beliebte Ausrede deutscher Politikerinnen und Politiker, man müsse wie in Afghanistan trotz besseren Wissens einen Krieg der USA unterstützen, weil sonst die Nato zerbreche, zieht nach Trumps Ohrfeige für die Verbündeten nicht mehr.

Wer angesichts der komplizierten Konfliktlage stabile Friedenslösungen für die Region des Nahen und Mittleren Ostens sucht, sollte dann über ein Instrument nachdenken, dass in den 1970er Jahren den Kalten Krieg beendete: eine regionale Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit. Seit Langem gibt es aus der Friedensforschung die Anregung, eine solche Konferenz explizit für diese Region einzurichten.

Eine solche Konferenz wiederum kann nur dann Ergebnisse erzielen, wenn die unterschiedlichen und gegensätzlichen Interessen der Akteure dort auf den Tisch kommen und austariert werden. Wer deeskalieren will, muss zudem schon während des Verhandlungsprozesses Abrüstungsschritte anstreben.

Gerade in den vergangenen Jahren hat in dieser Region eine gigantische Aufrüstung stattgefunden. Hier hat vor allem Irans Erzfeind Saudi-Arabien zugelegt und mittlerweile bei Militärausgaben den dritten Platz hinter den USA und China und damit noch vor Russland eingenommen. Hier trägt auch die Bundesregierung Mitverantwortung, die deutschen Rüstungsfirmen Milliardenlieferungen genehmigt hatte.

Wenn Deutschland und Russland sich jetzt gemeinsam mit den anderen um eine Aufrechterhaltung des Iran-Abkommens bemühen wollen, dann ist es auch an der Zeit, das bilaterale Verhältnis zu verbessern und vorhandene Konflikte beizulegen.

Otmar Steinbicker ist Herausgeber des Aachener Friedensmagazins www.aixpaix.de. Seine Beiträge finden Sie hier


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