Europäisches Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO)

Kriegsdienstverweigerer sind in Europa weiterhin Diskriminierungen ausgesetzt

14.02.2020 – Auch 2019 sind Menschen, die aus Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigern, weiterhin zahlreichen Diskriminierungen ausgesetzt. Darauf weist das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung (EBCO) in seinem nun veröffentlichten Jahresbericht hin. „Gerade in einer Zeit, in der die europäische Zusammenarbeit in der Verteidigung, bei Rüstungsobjekten und gemeinsamen Militäreinsätzen zunimmt, darf das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nicht an den Rand gedrängt werden, sondern muss als ein international garantiertes Menschenrecht konsequent überwacht und anerkannt werden“, so EBCO-Präsident Friedhelm Schneider (Mannheim).

„Für zahlreiche Kriegsdienstverweigerer war 2019 ein Jahr, das in erster Linie von Rückschritten und einem fehlenden politischen Interesse an der Verwirklichung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung geprägt war“, bedauert Friedhelm Schneider, der für die Evangelische Arbeitsgemeinschaft für KDV und Frieden (EAK) dem Europäischen Büro für Kriegsdienstverweigerung angehört. In vielen Ländern spiele das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen, obwohl es als Menschenrecht anerkennt sei, keine Rolle in der Politik, sondern werde stattdessen offen missachtet.

So verfolge beispielsweise die Türkei weiterhin Kriegsdienstverweigerer und missachte die seit 2006 zugunsten türkischer Verweigerer ergangenen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, erläutert der EBCO-Präsident. Auch Aserbeidschan habe sein beim Beitritt zum Europarat 2001 versprochenes Gesetz über einen Ersatzdienst zum Wehrdienst bisher nicht verabschiedet. Zuletzt habe im Oktober 2019 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betont, dass Aserbeidschan damit gegen die Europäische Menschenrechtskonvention weiter verstoße.

Nach wie vor bestehe auch unter anderem in der Ukraine, in Russland und in Griechenland eine Diskriminierung von Menschen, die aus Gewissensgründen den Militärdienst verweigern würden, kritisiert Friedhelm Schneider. In Griechenland habe sich nach dem Regierungswechsel die Situation wieder verschärft, erläutert der EBCO-Präsident. Gleiches gelte für das türkisch besetzte Nordzypern, wo im vergangenen Januar der dortige Ministerrat einen Gesetzentwurf vorgelegt hatte, der das Recht auf eine Kriegsdienstverweigerung enthielt, nach einem Regierungswechsel nun aber wieder zurückgezogen wurde.

Das Europäische Büro für Kriegsdienstverweigerung bedauert zudem in seinem Jahresbericht, dass sowohl der Ständerat wie auch der Nationalrat der Schweiz Ende vergangenen Jahres Änderungen des Zivildienstgesetzes befürwortet hätten, die den Zugang zum Zivildienst massiv verschärfen sollen. Es bleibe daher ein ernstes Problem, dass Staaten, die die EU-Grundrechtecharta oder die Europäische Menschenrechtskonvention oder beide Dokumente unterzeichnet hätten, dennoch ungestraft das Recht auf Kriegsdienstverweigerung verletzen könnten, mahnt EBGO-Präsident Friedhelm Schneider. Dies schade der Glaubwürdigkeit europäischen Menschenrechtspolitik, ist er überzeugt.

„Im Mai 2019 unterzeichnete EBCO, ebenso wie 110 weitere Organisationen den Appell: Rettet das Friedensprojekt Europa. Dieser Appell, der an die Mitglieder des damals neu gewählten Europäischen Parlamentes gerichtet war, kritisierte die fortschreitende Militarisierung Europas und spricht sich für eine Europäische Union aus, die für Frieden und Menschenrechte eintritt, zu Hause und jenseits ihrer Grenzen. Da gehört auch das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen“, so EBCO-Präsident Friedhelm Schneider.

EBCO wurde 1979 in Brüssel als Dachverband für nationale Verbände von Kriegsdienstverweigerern in Europa gegründet, um das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen als Menschenrecht zu fördern. Jedes Jahr veröffentlicht EBCO einen Jahresbericht zur Situation der Kriegsdienstverweigerung in Europa. Es ist die umfassendste Veröffentlichung ihrer Art. Friedhelm Schneider, Pfarrer und früherer Leiter der Arbeitsstelle Frieden und Umwelt der Evangelischen Kirche der Pfalz, ist seit 2011 EBCO-Präsident.


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