IPPNW

Keine Verfolgung von Wissenschaftlern, die sich für Frieden einsetzen

19.01.2016 – Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW hat Außenminister Frank-Walter Steinmeier heute in einem Brief aufgefordert, sich für die sofortige Freilassung der verhafteten türkischen Intellektuellen einzusetzen, die einen Friedensaufruf zur Lösung des Konflikts mit der kurdischen Bevölkerung unterzeichnet hatten.

Insgesamt 1.128 WissenschaftlerInnen von 89 Universitäten haben die Regierung in der öffentlichen Petition aufgefordert, die Gewalt in der überwiegend von Kurden bewohnten Region zu beenden und die im Sommer abgebrochenen Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen. Laut Medienberichten wurden bis zu 27 AkademikerInnen verhaftet, mehr als 130 drohe eine Festnahme. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft ermittle gegen sämtliche UnterzeichnerInnen des Appells, vielen drohten Disziplinarstrafen oder Entlassungen.

In dem Aufruf heißt es: "Der Türkische Staat verurteilt seine BürgerInnen in Sur, Silvan, Nusaybin, Cizre und in vielen weiteren Orten mit wochenlangen Ausgangssperren zum Verhungern und Ausdursten. Unter kriegsartigen Zuständen werden ganze Viertel und Stadtteile mit schweren Waffen angegriffen. Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, auf Freiheit und Sicherheit vor Übergriffen, insbesondere das Verbot von Folter und Misshandlung, praktisch alle Freiheitsrechte, die durch die Verfassung und durch die Türkei unterzeichnete internationale Abkommen unter Schutz stehen, werden verletzt und außer Kraft gesetzt. Diese gezielt und systematisch umgesetzte gewaltsame Vorgehensweise entbehrt jeglicher rechtlicher Grundlage. Sie ist nicht nur ein schwerwiegender Eingriff in die Rechtsordnung, sondern verletzt internationale Rechtsnormen wie das Völkerrecht, an die die Türkei gebunden ist."

Unter den UnterzeichnerInnen befindet sich auch die türkische Gerichtsmedizinerin und Hochschullehrerin Prof. Dr. Sebnem Korur Financi aus Istanbul, die 2011 den von der IPPNW gestifteten Preis für medizinische Friedensarbeit erhalten hat. Korur Fincanci wurde durch ihren Einsatz für eine objektive Rechtsmedizin und die Aufdeckung der Folgen von Folter bekannt. Sie wurde deshalb mehrfach ihres Universitäts-Lehrstuhls für Rechtsmedizin enthoben, kehrte aber immer wieder auf Gerichtsbeschluss zurück. Sie gehört zu den GründerInnen des Vereins der RechtsmedizinerInnen an und hatte einen wesentlichen Anteil an der Erarbeitung des Standardwerkes der UN zur Aufdeckung von Folter, dem Istanbul Protokoll. Sebnem Korur Financi ist seit 2009 Präsidentin der Menschenrechtsstiftung der Türkei.


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